Mangelnde Informatik

In unserem Informatikkurs sitzen elf Schüler:innen. Neun Jungen, zwei Mädchen.

 

Gleichzeitig gibt es Bemühungen, die Frauenquote in Computer-Jobs zu erhöhen. Gegen Anfang waren wir fünf Mädchen. Zwei haben direkt abgewählt, die andere zum Halbjahr.

 

Außerdem brauchen wir mit fortschreitender Technik sowieso Menschen, die sich zumindest grundsätzlich mit Rechnern und ihren Arbeitsweisen auskennen. Also denken wir einmal darüber nach: Sobald man in der Elften ist, hat man die Möglichkeit, Informatik dazu zu wählen. Oder man könnte eine weitere Fremdsprache wählen. Außerdem sollte man Info besser überbelegen, man weiß ja nie, wie das wird… Aber soll man überhaupt überbelegen? Und nicht besser ein Fach, das man schon kennt? Wo man weiß, was man zu erwarten hat?

 

Also hier einmal zum Zerstören aller Erwartungen: Wir spielen keine Computerspiele. Stattdessen haben wir mit dem Aufbau eines Computers begonnen. Und danach haben wir einen primitiven Marienkäfer namens Kara Kleeblätter fressen lassen. Danach kamen Algorithmen, Binär- und Hexadezimalcode, Webseitenprogrammierung, SQL und Datenbanken. Halb so kompliziert, wie es klingt.

 

Letztens war ein Freund bei uns zu Besuch. Achte Klasse. Er warf einen Blick über meine Schulter, während ich meine Informatik-Hausaufgaben erledigte. Kurz darauf saßen wir beide an meinem Rechner und er entlockte den (erweiterten) Datenbanken ihr Wissen. Es hat vielleicht eine halbe Stunde gedauert. Wieso kann man den unteren Klassen nicht einmal die Woche etwas Ähnliches beibringen wie uns? Kara Pilze rumschieben lassen. Mit Scratch programmieren. Auf Kodu Computerspiele erstellen.

 

Also kommen wir jetzt zur mangelnden Informatikbildung in Deutschland. Und damit werden wir uns einmal mit anderen Ländern vergleichen.

 

Als ich Luna, die ein Jahr in Norwegen verbracht hat, fragte, wie in Norwegen die Informatikbildung sei, antwortete sie mit einem einzigen Wort: „Besser.“

 

Ich selbst hatte, zusammen mit meiner kleinen Schwester, das Glück, vier Jahre in England zu leben. Jetzt kann ich beide Schulsysteme ganz vorzüglich vergleichen und bemängeln. Meine Schwester hatte in der Grundschule Informatik. „Nur“ Scratch, wenn man so will, aber sie kennt die Basics. Befehl if, then, else. Ich hatte zwei Stunden die Woche IT (Information Technology). Zeitstunden. Es war eine Mischung aus generellem Umgang mit Technik und Programmieren.

 

Deshalb habe ich nicht gezögert, Informatik zu wählen. Nicht überbelegt.

 

Computer florieren. Technik schießt in die Höhe. Und wir brauchen Programmierer. Ich interessiere mich dafür und es macht mir Spaß – und doch sehe ich meine Zukunft in fließenden Wörtern und galoppierenden Hufen. Von den elf Informatikern unserer Gruppe werden vielleicht drei in die IT-Branche einsteigen. Und Informatiker werden in der Berufswelt gebraucht.

 

Hier ist mein Vorschlag: Führt eine Stunde Informatik in der Unterstufe ein. Bringt den Schüler:innen (ausnahmsweise ;) ) etwas Nützliches bei. Wie man im Internet sicher bleibt, welche Quellen vertraulich sind, wie man mit Copyright umgeht… Und nebenbei können sie noch ein paar Marienkäfer Blätter in hübsche Spiralen legen lassen.

 

Es würde mich interessieren, wie viele „Informatiker“ wir wären, wenn wir schon in der Mittelstufe programmiert hätten. Ob es einen Leistungskurs gäbe. Wie sich die Geschlechterverteilung ändern würde. Vielleicht nicht sonderlich. Immerhin sind wir im Physik-LK auch zwei Mädchen zu acht Jungen. Aber zumindest hätten wir mehr Leute auf den Weg der IT gelenkt. Informatiker werden gut bezahlt. Sie werden immer gebraucht. Wieso fördern wir das nicht? Zu wenige Mittel? Nicht genügend Computer/-räume?

 

Im Notfall kann man auch zwei Schüler:innen an einen Rechner setzen. Im Normalfall macht das sogar mehr Spaß, als allein.

 

Hannah, 01.10.2021