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Leise steigt sie aus ihrem Bett, läuft zum Schreibtisch und knipst die kleine Lampe an. Die letzten Stunden hat sie nachdenkend unter der Decke verbracht, hat versucht ihre Gedanken zu ordnen und war gescheitert. Sie holt ein Stück Papier und einen Stift hervor, schreibt Wort für Wort diese Zeilen nieder:
,,Manchmal fühlt es sich an, als wäre ich alleine auf der Welt, als wäre niemand da, der meine Schreie, meine Hilferufe hören könnte. Keiner bemerkt meine stummen Klagen, die Narben, die Geschichten von Angst und Hass erzählen, und das Schweigen, welches nicht für Abneigung steht, sondern das Werk jahrelanger Kämpfe in meinem Kopf widerspiegelt.
Nicht jeder Tag ist schlecht, nein, nur reichen die guten lange nicht aus, um die Schatten zu vertreiben, um Licht hinter meine Mauern zu bringen. Diese Mauern sind verdammt hoch. Einmal habe ich sie heruntergelassen, zu viel vertraut, sodass ich am Ende nur daran erinnert wurde, warum ich sie so massiv erbaut hatte. Jede Träne, die über meine Wangen lief, wenn niemand hersah, jeder Schnitt über den Pulsadern und jede einzelne Nacht ließ den Damm wachsen. Jetzt bin ich sicher, lebe im Dunkeln. Manchmal vermisse ich das Licht, vermisse die unbeschwerten Momente, doch ich traue mich nicht auszubrechen.
Meine Zeit wird kommen, irgendwann werde ich alles besiegen, was mich zurückhält. Alle Geister und Dämonen in meinem Kopf werde ich schlagen. Bis es soweit ist, bleibe ich hier. Das ist der Preis, den ich dem Leben zahlen muss, die Bedingung, um irgendwann wieder ans Licht zu kommen."
Schritte ertönen im Flur, sie springt auf, stopft Blatt und Stift unter die Decke und zieht ein Schulbuch auf den Tisch. ,,Ist es nicht zu spät? Morgen kann ich dann wieder deine Müdigkeit ausbaden." Ihre Mutter steht im weißen, seidigen Morgenmantel in der Tür. ,,Und leg das Buch weg, Bildung gehört nicht in deine schmutzigen Hände, Wissen wurde nicht für deine Psychosen gemacht." Mit diesen Worten verschwindet die Frau.
Anstatt ins Bett zu kriechen, schleicht sie sich auf den Balkon, klettert aufs Geländer und zieht sich an der Dachrinne aufs Dach. Vorsichtig setzt sie sich auf die Ziegeln, über ihr ein Himmel voller Sterne.
,,Ob es jemals endet? Der Schmerz, den sie mir angetan hat, die Stimme in meinen Gedanken, die mir einredet, sie hätte recht, und meine Hände, die versuchen, ihr Werk zu vollenden?!" fragt sie sich.
Lange schaut sie noch in die Sterne, versucht zu schlafen, versucht zu bleiben.
Frida
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