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Das Monster in ihr

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Die Äste schaukeln leicht im Wind, als sie auf den Vorsprung tritt. Mit einer Hand streicht sie sich das lange schwarze Haar aus dem Gesicht, mit der anderen hält sie ihr Schwert. Silbrig glänzt es im Mondlicht, an der Klinge klebt getrocknetes Blut. Es ist nicht das ihre, nein. Unter ihr liegt ein Schlachtfeld, ein Meer aus toten Körpern.

Mit zittrigen Fingern wischt sie sich eine einsame Träne aus dem Gesicht, dann verhärten sich ihre Züge wieder. Erinnerungen mischen sich mit Bildern der jüngsten Ereignisse und verwandeln sie in ein Messer, welches immer wieder zuzustechen scheint.

Sie will schreien, kann es aber nicht. Der Anblick des Kampfplatzes wirkt wie eine Hand, die ihr mit aller Kraft die Kehle zudrückt.

,,Was habe ich getan?" denkt sie, ,,Was habe ich nur getan?"

Zitternd taumelt sie einige Schritte zurück bevor sie auf die Knie sinkt. Ganz genau weiß sie, was passiert ist. Ganz genau. 

Sie möchte sich bloß nicht eingestehen, dass das Monster in ihr zu stark geworden war, zu groß, sodass es sie verdrängt hatte. Es stahl ihr die Freude und das Glück und hinterließ stattdessen eine Welle aus Angst, Hass und Misstrauen.

Unfähig sich zu bewegen starrt sie auf das Grauen vor sich. Das Monster ist weg.

Die Leichen gehören nicht mehr zu ihren Erzfeinden, sondern zu ihrer Familie und ihren Freunden. 

Der Mann, den sie so reuelos enthauptete, wollte sich vor seinen Partner werfen, um ihn zu schützen. Das Haus, welches sie in Flammen gelegt hatte, war das ihres Bruders und das kleine Mädchen mit den geflochtenen Zöpfen, das so friedlich dalag, dass man annehmen könnte, es würde schlafen, hätte es nicht einen Speer im Rücken stecken, ist ihre Tochter.

Im Kampfrausch hatte sie alle ermordet.

Während sie dort kauert, trocknet der Nachtwind ihre blutige Weste. Wieder laufen ihr Tränen über die Wangen, so heiß, dass sie Eis zum Schmelzen bringen könnten. Ruckartig wischt sie sie weg. ,,Das schwierigste ist, das Monster in einem zu töten, ohne sich und anderen dabei zu schaden." denkt sie. Lange sitzt sie dort noch. Stumme Tränen, lautester Schmerz.

 

                                                                                                                                                   

                                                                                                                                                                                                                                                                                                      Frida


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