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Nacht im Herzen

Lesezeit: 3 Minuten;

 

Triggerwarnung: Suizid, Selbstverletzung

Um mich herum ist es dunkel, das einzige Licht in dieser Dunkelheit ist das Leuchten meines Handys in meiner Hosentasche. Meine Füße erklimmen Stufe für Stufe dieser ewigen Treppe. Mit jedem Schritt werde ich langsamer, ich weiß nicht was ich fühle. Ist es Angst? Ist es Wut? Ist es Trauer? Oder doch Vorfreude? Ich weiß es nicht, das einzige das ich spüre ist das Rinnen einer einzelnen Tränen auf ihrem Weg meine Wange hinunter. Eine zweite. Eine dritte. Eine vierte. Ich bleibe stehen. Ich kann das nicht, ich will das nicht. Doch zurück kann ich auch nicht, zu groß ist meine Angst. Ich wische mir die Tränen aus dem Gesicht und setze meinen Fuß auf die nächste Stufe. Ich bin mir nicht sicher, spüre ich irgendwo tief in mir ein Gefühl des Entschlusses?

Nach endlosen Stufen voller erstikender dunkler Trauer sehe ich sie, die Lichter der Stadt. Sie scheinen durch den Türspalt der schweren dunkelblaugrauen Stahltür. Mit zitternden Hand und wackeligen Knien öffne ich sie langsam, ich drücke meine Schulter dagegen um nicht von ihrer Wucht zurückgedrängt zu werden. Geschafft. Aber was habe ich geschafft eine Tür aufzudrücken? Den Schritt hierher zu wagen? Oder die 268 Stufen bis hierhoch?

Ich weiß es nicht, ich weiß so vieles nicht mehr. Ich Will es gar nicht wissen.

Langsam schleife ich meine immer schwerer sich anfühlenden Füße zu der Kante hin. Ein warmer Sommerwind schlägt mir entgegen, aber ich will ihn nicht spüren. Ich will gar nichts mehr spüren. Mein Arm brennt die Narben schmerzen, sie sollen aufhören zu schmerzen. Ich will keine Schmerzen fühlen. Nie wieder will ich sie fühlen. Ich setze mich auf die Kante meine Beine rutschen immer weiter nach vorne bis sie an der Kante hinunterhängen.

Ich nehme mein Handy in die Hand höre das letzte Mal mein Lieblingslied an, tippe ein letztes Mal eine Entschuldigung in mein Handy. Sie geht an meine Eltern und an meine beste Freundin. Ich lasse mir ein letztes Mal die Tränen vom Wind trocknen und dann rutsche ich immer weiter nach vorne, bis ich den Boden kaum noch unter mir spüre. Ich fühle mich wie betäubt, wie gelähmt. Ich spüre den Wind um mich herum kaum noch. Meine Lippen formen ein letztes "Entschuldigung", es geht an mich. Dann springe ich. 

 

Sophie


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Kommentare: 2
  • #1

    Bücherfreak (Freitag, 06 September 2024 22:00)

    Mega schön geschrieben!

  • #2

    Lasse (Mittwoch, 11 September 2024 09:33)

    Ein trauriges Thema, aber sehr schön umgesetzt.