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Interview mit den Omas gegen Rechts

H: Wann und von wem wurden die "Omas gegen Rechts" gegründet?

 

Inge Heimer: Von Monika Salzer in Österreich in 2017 und der Anlass war die Beteiligung der FPÖ an der Regierung und der Rechtsdruck in Österreich.

 

H: Wie kamen Sie dazu, die Gruppe "Kandeler Omas gegen Rechts" zu gründen?

 

Inge Heimer: Also in Kandel gab es ja 2017 den Mord an einem 15-jährigen Mädchen, das von ihrem afghanischen Ex- Freund niedergestochen worden war - und direkt am nächsten Tag haben sich dann Rechtsextremisten versammelt und sogenannte Trauermärsche veranstaltet. Und dann hat sich in Kandel ein Gegenprotest formiert, unter anderem das Bündnis ,,Kandel gegen Rechts". Aus diesem Bündnis habe ich dann die ,,Kandeler Omas gegen Rechts" ins Leben gerufen.

Das war der Anlass.

 

Gabi Kolain: Bei uns in Landau war es so, dass wir mitbekommen hatten, dass in Österreich die "Omas gegen Rechts" gegründet worden waren,  und wir haben uns dann aufgrund der ganzen Protestaktionen und den Demonstrationen von den Rechtsextremisten in Kandel zunächst einmal dem Gegenprotest angeschlossen und haben dann in Landau eine eigene Oma-Gruppe gegründet.

 

H: Wie lange sind Sie schon dabei?

 

Omas: Seit Oktober 2018.

 

S: Wo kann man die Omas gegen Rechts antreffen?

 

Gabi Kolain: Auf allen Demonstrationen, die gegen Rechts und für unsere Demokratie sind. Wir Landauer sind auch oft bei Veranstaltungen der Klimaaktivisten ,,Fridays for Future" dabei; wir haben enge Kontakte zur Antifa und dem Asta der Uni, und wenn dann irgendwelche Demonstrationen oder Veranstaltungen stattfinden, sind wir immer dabei oder wir machen selbst Mahnwachen. Und auf Facebook sind wir natürlich auch.

 

C: Was sind die Aufgaben der Omas gegen Rechts?

 

Inge Heimer: Die Aufgaben sind Aufklärung über Gefahren für die Demokratie und unsere Demokratie zu schützen und auch die Frauenrechte zu schützen. Wir haben auch einen feministischen Hintergrund. Deshalb auch "Omas" gegen Rechts. Wir wollen die Zukunft unserer Enkel lebbar und angenehm gestalten und sie dabei unterstützen, sich eine angenehme, gute Zukunft im demokratischen Sinn aufzubauen. Dafür sind Omas auch eigentlich da: um ihre Enkel zu verwöhnen und zu unterstützen.

 

H: Was halten Sie von der Antifa oder generell dem radikaleren Teil der Protestanten?

 

Gabi Kolain: Ich bin der Antifa eher zugeneigt, was auch persönliche Gründe hat. Im Haus neben uns wohnt eine Wohngemeinschaft, da sind die meisten bei der Antifa und das sind unglaublich nette Leute, mit denen man sehr gut diskutieren kann. Während der Corona-Zeit haben sie sich um uns gekümmert, auch mal eine Flasche Wein oder etwas zu essen vorbeigebracht. Also sehr aufmerksame, zugewandte, nette junge Leute, so habe ich sie kennengelernt. Gut, die pöbeln manchmal relativ deutlich bei Demonstrationen, aber ich glaube, das ist das Recht der Jugend, sich auch mal in der Wortwahl zu vergreifen. Also ich mag die gerne.

 

Inge Heimer: Das Problem ist, dass die Leute, wenn sie Antifa hören, an G20 in Hamburg denken. 2017 fand das 12. Gipfeltreffen der Regierungschefs der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer in Hamburg statt. Und da kam es zu schweren Ausschreitungen. Das war aber wirklich ein militanter Teil der Antifa. Viele waren aus ganz Europa angereist, um eben Randale zu machen. Aber das kann man nicht auf die ganze Antifa übertragen. Es gibt verschiedene antifaschistische Gruppierungen, die einen sind radikaler, die anderen nicht. Pflastersteine werfen oder Barrikaden anzünden finde ich persönlich wenig zielführend. Aber ich bin auch schon mit dem schwarzen Block in Kandel gelaufen, weil die Antifagruppen, die ich kenne, die Landauer oder die von der Weinstraße oder die Neustadter: das sind ganz nette, junge Leute.

 

Gabi Kolain: Genau.

 

Inge Heimer: Ich habe Gewalt von der Antifa bei uns noch nie erlebt, ich habe aber viel Polizeigewalt gegen die Antifa erlebt. In Karlsruhe zum Beispiel war vor zwei Jahren eine große Querdenkerdemo, da hat die Antifa in der Günter-Klotz-Anlage eine Gegenveranstaltung gemacht. Und dann saßen wir oben auf dem Hügel und haben beobachtet, wie Polizisten auf riesigen Pferden in die Antifa reingeritten sind und mit der Reitpeitsche geprügelt haben. Und das ist übel. Und auch in Kandel haben wir viel erlebt an Polizeigewalt. Tränengas und Schlagstöcke wurden eingesetzt.

 

S: Wie viele Mitglieder haben die Omas gegen Rechts?

 

Gabi Kolain: Also deutschlandweit oder die einzelnen Gruppen?

 

H: Deutschlandweit.

 

Inge Heimer: Die genaue Zahl weiß ich gar nicht, aber über tausend auf jeden Fall.

 

Gabi Kolain: Ja, mindestens. Nach dem Korrektiv-Bericht haben wir unwahrscheinlich großen Zulauf bekommen, in Mainz waren es 50 neue Omas. In Landau sind wir 26.

 

Inge Heimer: In Kandel haben wir Probleme, neue Leute zu werben, weil es sehr ländlich ist.

 

Gabi Kolain: Man hat das Gefühl, die Leute wachen allmählich ein bisschen auf und merken, um was es eigentlich geht. Und viele Frauen in unserem Alter haben auch wieder ein bisschen Zeit, weil die Berufszeit vorbei ist und sie sich wieder engagieren können, so wie früher die Alt-68-er.

 

H: Was halten Sie von Senioren, die die AfD ignorieren, weil sie denken, dass sie nichts mehr mit den Folgen zu tun haben werden?

 

Inge Heimer: Gar nichts.

 

Gabi Kolain: Gibt es solche Senioren? Senioren müssten normalerweise so wie wir aufgewachsen sein. Wir haben erlebt, was es bedeutet, Alt-Nazis als Lehrer zu haben. Wir haben erlebt, was es heißt, in einer Zeit aufzuwachsen, wo eine Frau vom Ehemann die Erlaubnis erhalten muss, wenn sie arbeiten gehen möchte. Diese Zeiten haben wir alle erlebt, und wer als Frau das erlebt hat und jetzt dahin zurückwill, der muss ein bisschen blöd sein. 

 

Inge Heimer: Aber ich weiß, was sie meint, es gibt Leute, auch speziell in unserem Alter oder älter, die halt denken, wenn man die AfD ignoriert, dann verschwinden die von selbst.

 

Gabi Kolain: Das hat sich noch nie bewahrheitet. 

 

Inge Heimer: Diese Leute denken aber auch: nach mir die Sintflut. 

 

Oma 2.0: Wir sehen das so, dass wir unsere Jugendlichen, unsere Jungen befähigen wollen, ihre Zukunft selbst zu gestalten, weil wir sterben werden. Seien wir ehrlich. Wir haben noch zehn, zwanzig Jahre, wenn es hochkommt, und dann sind wir weg vom Fenster, und dann müssen unsere Jungen ihre Zukunft gestalten. Also: Ignorieren bringt nix.

 

Inge Heimer: Geht gar nicht. 

 

S: Was was bisher ihr größtes Highlight?

 

Inge Heimer: Also mein Highlight war unsere Sternfahrt nach Halle. Es gibt in Sachsen-Anhalt den Rechtsextremen Sven Liebich. Er steht seit Jahren jeden Samstag in Halle auf dem Marktplatz, brüllt da rum und ist richtig übel. Dem Verfassungsschutz ist er schon lange ein Begriff, er war Mitglied bei "Blood and Honour" , falls euch das was sagt (englisch für "Blut und Ehre"), einem rechtsextremen Netzwerk. Die Organisation ist in Deutschland mittlerweile verboten. Aber da war er aktiv und er hat uns Omas ganz ganz übel beleidigt. Der hat auch gesagt, die Omas sollten doch in die Flüchtlingsheime gehen und dafür sorgen, dass die Geflüchteten keine jungen Mädchen vergewaltigen. Bei einer Gegendemonstration wurde eine der Hallenser Omas von den Liebich-Anhängern auch angegriffen. Daraufhin hat eine der Omas dies alles in einem Interview geschildert. Sven Liebich hat über Telegram einen Aufruf gestartet, um ihren Namen und ihre Adresse zu erfahren. Und da habe ich dann gesagt: Jetzt ist gut! Wir haben ihn alle angezeigt und er ist mittlerweile auch verurteilt worden. Auf jeden Fall habe ich die Initiative ergriffen und wir haben eine Sternfahrt gemacht: Viele Oma-Gruppen sind nach Halle gefahren, aus Hannover, aus Berlin, aus Hamburg, aus Göttingen, aus Gießen, wir Kandeler waren dabei. Wir haben uns dort getroffen und haben uns um den Marktplatz herum verteilt bzw. in die Cafés dort gesetzt. Und als er dann mit seinen Hetze losgelegt und gebrüllt hat, sind wir aus verschiedenen Richtungen auf den Marktplatz gelaufen mit Trillerpfeifen mit Omaschildern und Bannern und Schirmen. Wir Omas gegen Rechts haben verhindert, dass er seine Parolen brüllen kann. Das war richtig DAS HIGHLIGHT.

 Sophie, Colin, Frida, Hedy

 

Die Omas gegen Rechts haben uns außerdem gebeten, ihren Enkelbrief in unseren Artikel mit aufzunehmen. Hier ist er:

 

Liebe Enkelinnen und Enkel,

vielleicht fragt Ihr Euch, was plötzlich die „Omas“ auf der Straße machen, und vielleicht auch, was das heißen soll: „gegen Rechts“?

Wir schreiben an Euch, weil diese Europawahl keine Wahl wie jede andere ist und weil wir uns Sorgen machen über die Frage, wie Eure Zukunft aussehen könnte, wenn wir nicht gemeinsam wachsam sind. Auch in unserem Land erstarken Kräfte, die ein gemeinsames Europa nicht wollen; die in einem Zurück zu mehr Nationalstaatlichkeit die vermeintliche Lösung vieler Probleme sehen; die am liebsten eine „Festung Deutschland“ errichten wollen.

Sie säen Fremdenfeindlichkeit und Hass und machen Eure zugewanderten Freunde und Bekannten im Verein, in der Nachbarschaft, in der Ausbildung oder im Beruf für alles „Schlechte“ verantwortlich. Was soll das heißen: „Deutschland den Deutschen“? (Man muss sich das nur einmal bildlich vorstellen!?)

Sie bieten Euch einfache Lösungen für komplexe Probleme an, indem sie beispielsweise den menschgemachten Klimawandel schlichtweg leugnen…

Wir, die Jahrgänge, die nach dem Krieg aufgewachsen sind, hatten die Hoffnung, dass die Deutschen die Lehren gezogen hätten aus der Barbarei des Hitlerfaschismus, aus der immensen Schuld, die sie auf sich geladen haben und auch aus dem persönlichen Leid, das ihnen selbst widerfahren ist. In diesem Geiste ist unser Grundgesetz entstanden; beginnend mit dem obersten Verfassungsgrundsatz – Artikel 1 GG:

Die Würde des Menschen ist unantastbar. Nicht die Würde der Deutschen oder der Weißen oder der Reichen ist gemeint, sondern die Würde aller, die hier leben.

Wenn wir eins gelernt haben, dann dies: die Unantastbarkeit der menschlichen Würde, demokratische Rechte, wie Religions- und Meinungsfreiheit oder die Gleichberechtigung der Geschlechter sind nicht selbstverständlich. Sie müssen mehr denn je gegen Feinde der Demokratie, gegen Populisten, Nationalisten, Rassisten und Rechtsextremisten verteidigt werden. Das heißt für uns „gegen Rechts“. Und dafür gehen wir auf die Straße – am liebsten mit Euch gemeinsam.

Seid kritisch und fragend. Lasst Euch nicht verführen. Zeigt Haltung. Nur wer prüft und nach der Herkunft der Informationen fragt, kann sicher sein vor Propaganda und Lügen.

Sucht Euch Gleichgesinnte.

Wenn Ihr zur Europawahl geht, entscheidet Ihr mit darüber, wie stark die Rechtsradikalen in Europa werden, wie Europa mit den globalen Herausforderungen wie dem Klimawandel, mit Krieg und Frieden oder den weltweiten Fluchtbewegungen umgehen wird. Wofür Geld ausgegeben wird und wie wir mit unseren Nachbarn zusammenleben.

Sagt „Nein“ zu Nationalismus, zu Fremdenfeindlichkeit und Hetze.

Das demokratische Europa braucht Eure Stimme. Es braucht Euch!

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