Am Freitag, den 10.11.23 hatten alle 10. Klassen in der 2. und 3. Stunde keinen regulären Unterricht. Stattdessen haben die Klassen sich ein Zeitzeugeninterview mit Ruth Melcer, einer Überlebenden eines Konzentrationslagers, angeschaut. Das Gespräch wurde von der Friedrich Ebert Stiftung per Videokonferenz durchgeführt. Im Voraus konnten die teilnehmenden Klassen ihre Fragen an die Zeitzeugin einschicken, manche davon konnten im Gespräch dann beantwortet werden.
An der Videokonferenz nahmen knapp 3.000 Schüler:innen teil, wobei das Gespräch zusätzlich aufgezeichnet wurde, da manche Klassen, die nicht zur Videokonferenz erscheinen konnten, dieses als Unterrichtsmaterial verwenden wollten.
Ruth Melcer wurde 1935 in Polen geboren und später ins Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Ihre Erinnerungen fangen ab dem Alter von 4 Jahren an. Sie sagt selbst, dass sie sich an alles nur verschwommen erinnern kann und ihr vieles im Nachhinein von ihren Eltern erzählt wurde, aber Auschwitz liegt immer noch klar in ihrem Gedächtnis.
Nach und nach erfahren also die 10. Klassen die Lebensgeschichte von Ruth Melcer. Von dem erstem Ghetto an bis nach der Befreiung durch die sowjetischen Soldaten. Dabei entstehen Bilder im Kopf, die heutzutage glücklicherweise nicht mehr vorstellbar sind. Frau Melcer erzählt zum Beispiel, dass jeden Tag ein Häftling, mit einer Peitsche ausgestattet, um den großen Ofen der Baracke ging und schrie: "Ihr werdet alle sterben!" Weiter erzählt sie, wie sie, nachdem die Nationalsozialisten die Lager aufgegeben hatten, um die Inhaftierten auf den sogenannten Todesmärschen umzubringen, ins "Zigeunerlager" kam und Frauen mit "riesigen Löchern in den Ohren, da deren Ohrringe herausgerissen worden waren" sah.
Generell beschreibt sie, dass sie in Auschwitz den Himmel immer als rot statt blau wahrgenommen hat.
Nach dem Ende ihrer Geschichte werden Melcer zwei Fragen zu heutigen politischen Themen gestellt, zu denen sie Stellung bezieht.
Bei der ersten Frage: "Was denken Sie, wenn Sie sehen, dass die AfD so große Wahlergebnisse hervorbringt?" sagt sie, dass sie nicht verstehen kann, warum Menschen nach all dem, was passiert ist, überhaupt noch die AfD wählen.
Die zweite Frage, die ihr gestellt wird, handelt von dem Nah-Ost-Konflikt. Diese Frage hatte sich Melcer vor dem Gespräch gewünscht und hatte sich deswegen eine vorgeschriebene Antwort zurechtgelegt, da sie sonst nicht in der Lage wäre, dieses Thema anzusprechen. Sie steht allen Leuten, die unparteiisch in Gaza leben, bei, aber sie versteht nicht, wie die arabische Welt die Hamas, eine Terrorgruppe, so befürworten kann. Selbst beim Vorlesen bricht sie in Tränen aus.
Als sie danach noch gefragt wird, was sie von der jungen Generation erwartet, antwortet sie: "Ich erwarte, dass ihr zu der Demokratie steht und diese stärkt."
Ich fand das Interview mit Ruth Melcer sehr interessant und kann mir erst jetzt ein richtiges Bild über einzelnen Situationen im Zweiten Weltkrieg machen, da es etwas ganz anderes ist, eine Situation oder Ereignis von einer Person geschildert zu bekommen, als von einem Geschichtsbuch.
Ich kann es aber nicht verstehen, wie man in der darauf folgenden Pause Sätze sagen kann, wie:
- "Die hat sich aber gut gehalten."
- "War doch völlig unnötig."
Es ist einfach schlimm, weil es zeigt, wie schnell eine solche Situation, wie die von 1933 bis 1945, wieder passieren könnte. Und ich kann es auch nicht fassen, wie solche Sprüche wiederkommen können. Ebenso kann ich nicht fassen, dass beim Besuch des Konzentrationslagers Struthof Judenwitze erzählt worden sind. Es ist nicht lustig, anderen Menschen mit einer solchen Respektlosigkeit zu begegnen.
Zeitzeugengespräche sind wichtig und dafür sollte jede:r dankbar sein, denn bald wird es keine Zeitzeugen dieser Zeit mehr geben.
Lasse
Bildquelle: http://www.sonntagsblatt.de/sites/default/files/media/img/artikel/2018-02/2018_02_07_09_por_melcer_ruth_foto_robert-kiderle.jpg
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